Aktionstag Villa Bernau

An einem sonnigen Samstag, dem 17. April 2021 kamen die vier Künstlerinnen Denise Brändli, Barbara Brosowski , Ursula Bovey und Anna Reber in der Villa Bernau in Bern zusammen, um Portraits von besonders gefährdeten Menschen zu malen. Über ein Jahr nach Beginn der Corona-Pandemie ging das von der Künstlerin Manuela Brügger initiierten Projekts “Risiko mit Gesicht” in die dritte Runde.

Während draussen Teilnehmende ihr Gesicht mittels eines Photo-Kopierers scannten, entstanden im stillem lichtdurchfluteten Raum mit Pinsel und Stift einzigartige Zeugnisse dieser bedrückenden Zeit. Dazu sagt die zum zweiten Mal teilnehmende Künstlerin Denise Brändli: „Dieses Zusammenspiel zwischen der Entstehung des Motivs, über seine Umsetzung im Atelier, bis hin zu seiner Ausstellung im gleichen Raum gefällt mir sehr.“

Quasi als Risiko-Selfies bilden die auf Holz gemalten Portraits ein künstlerisches Gegenstück zu den auf Social Media geteilten Corona-Selfies und neu den „Vaxxies“ von Geimpften. Berühmter Vorgänger dieser Betrachtung der eigenen Sterblichkeit war der Maler Edvard Munch, der sich im Jahr 1919 nach seiner überstandenen Erkrankung an der Spanischen Grippe selbst malte. In der Kunstgeschichte gibt es weitere Zeugnisse vergangener Infektionskrankheiten wie die Darstellungen der Pest in der mittelalterlichen und Renaissance-Malerei bis hin zur aktivistischen Kunst des späten 20. Jahrhunderts, die sich mit der AIDS Epidemie auseinandersetzte.

Kunst ermöglicht, die Welt um uns herum und unseren Platz in ihr besser zu verstehen. Sie gibt dem unsichtbaren Virus eine konkrete Form, verleiht unseren Emotionen und Gefühlen Ausdruck, und hilft, diese zu verarbeiten. Dass sich dabei einige der AusstellungsbesucherInnen an den düstren Portraits stossen, dürfe ruhig so sein, sagt die Künstlerin Anna Reber: “Die Bilder sind ein bisschen schaurig und beängstigend, aber das ist ja auch das, was wir erleben.” Sie freut es besonders, gemeinsam mit anderen ein Zeitdokument zu erstellen, das zeigt “wie es damals war, wenn wir in hundert Jahren zurückschauen.”

Zwei ältere Teilnehmerinnen schauten sich amüsiert ihre gescannten Gesichter an und wunderten sich, ob sie sich später in den gemalten Portraits wiedererkennen. Gelegenheit dazu haben sie am nächsten Aktionstag am 29.Mai in Solothurn oder am 26. Juni in Burgdorf.

Text von Leonie Pock